Bacillus Bulgaricus

Die Zukunft liegt im Osten

Joachim & Rumen Season 1 Episode 4

Da hat der kanadische Psychologe Jordan Peterson etwas gesagt, was uns in unserer heutigen Folge beschäftigt. Was könnte es sein, das "der Osten" vorzuweisen hat, speziell die Menschen in Bulgarien? Gibt es etwas, was der westliche Mensch von dort lernen kann? Zum Beispiel gibt es noch traditionelle Männer- und Familienbilder. Diese werden nicht nur benannt, sondern auch gelebt. Wir stellen fest, dass nicht nur der harte Mann ein echter Mann ist, sondern auch jener, der in der Lage ist, seine Gefühle zu zeigen. Ob die intakte Familie vielleicht nur als Fassade erscheint, fragen wir uns und ob eine friedfertige Haltung schon in der Kindheit angelegt wird. Letztlich finden wir heraus, dass bei aller Unterschiedlichkeit zwischen Ost und West das Zuhören ein Mittel für die Verständigung darstellt.

Link zum Interview mit Jordan Peterson: https://youtu.be/7p0lo9ABD_8?si=1200qMsxgbqCrnHd 

Peter Bonev (*1950) ist einer der besten Dudelsackspieler Bulgariens. Er war Leiter des Folkloreensemble in Stara Zagora und führte dieses zu internationalem Ansehen. Trotzdem sind Peter Bonevs Heimat die Straßen der Metropolen: Sofia, Rom, Paris, Oslo, Florenz, Mailand, London, Wien und Delhi. In seiner Heimat in Bulgarien spielt er traditionell von Juni bis September am Eingang zur Altstadt von Nessebar, sonst direkt neben dem Nationalen Kulturpalast in Sofia.

SPEAKER_01:

Hallo

SPEAKER_00:

Achim. Hallo Rumen. Schön, dich zu sehen und zu hören.

SPEAKER_01:

Und du hast ein Thema mitgebracht. Ganz meinerseits. Wir machen ja hier ein Zoom-Meeting, was wir dann aber als Audio veröffentlichen wollen. Ich grüße dich aus Berlin und ich erreiche dich in Bremen. Und ich habe für heute folgendes Thema vorgeschlagen, und zwar das Thema die Zukunft im Osten. Also wir haben das jetzt im Prinzip nicht vorbereitet. Ich erkläre mal kurz, wie ich denke, was ich denke, worum es dabei geht. Und zwar... ausgehend von meinen längeren Aufenthalten in Bulgarien, und du warst ja auch schon mehrfach in Bulgarien, habe ich so eine These, dass die Zukunft jetzt nicht im Osten Deutschlands liegt, aber vielleicht liegt es auch dort, sondern eher so im Osten Europas. Das ist eine These, da würde mich gleich mal deine Meinung dazu interessieren. Und untermauert wird diese These von einem, oder habe ich es zumindest gefunden, in einem Interview mit Jordan Peterson. Das hat mein bulgarischer YouTuber und Freund Martin Petrushev Anfang des Jahres in London mit dem kanadischen Psychiater und Buchautor geführt. Und da würde ich als erstes dich mal fragen, kennst du Jordan Peterson? Hast du mal was von ihm gelesen?

SPEAKER_00:

Nachdem ich ja von dir erfahren hatte im Vorfeld unseres jetzigen Podcasts, dass es dir um diese Person geht, habe ich natürlich mich mal schlau gemacht oder versucht mich schlau zu machen, aber das ist gar nicht so einfach. In der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand, habe ich sowohl... Meinungen zu ihm und seiner Person und seinen Äußerungen von Befürwortern gelesen, als auch von Gegnern. Insofern ist das eine schillernde Person und würde heutzutage als umstritten bezeichnet werden. Und insofern, ja, was heißt das, wenn er sagt in seinem Interview, die Zukunft läge im Osten? Heißt das, dass wir uns mal um Orbán und Konsorten mehr kümmern sollten, um dann wissen zu können, was uns blüht in der

SPEAKER_01:

Zukunft? Also das ist eine gute Frage, Achim. Ich lese mal am besten vor, was... Dieser Jordan Peterson im Interview mit Martin, also meinem Freund Martin, einem doch sehr bekannten YouTuber in Sofia, sagt, er sagt, dass er hoffe und glaube, dass die Osteuropäer inklusive der Balkanregion führend sein werden bei der Wiederbelebung des Westens. Peterson sieht die Zukunft ähnlich. Also mich spricht vor allen Dingen der letzte Satz an, dieses Verständnis für alle wesentliche Dinge als Westeuropäer. Davor erwähnt er westliche Werte, da könnte man auch nochmal drüber reden. Aber unter diesen wesentlichen Dingen würde ich verstehen, jetzt in Bezug auf Bulgarien vor allen Dingen, den gesunden Menschenverstand, die Herzensbildung. Das Vertrauen auf die eigene Intuition und den eigenen Instinkt. Und bei mir ist es so, ich habe einiges, nicht viel, einiges von Jordan Peterson gelesen. Manches spricht mich davon an, manches eher weniger. Also Fakt ist, er ist eher ein konservativer Typ. Ich finde es aber nicht schlecht. Ich meine, ich bin jetzt auch in dem Alter, wo man gerne mal konservativ ist. Ansonsten kann ich mit diesem Begriff ehrlich gesagt nicht so viel anfangen, aber immerhin noch mehr als mit diesem Links-Rechts-Begriff. Also konservativ ist ja wie gesagt, man hat bestimmte Werte, würde ich jetzt nicht sagen, aber bestimmte Vorstellungen, die sich mit der Lebenserfahrung decken und da sage ich mal nur als Beispiel, es gibt zwei Geschlechter, und ich habe eine Mutter und ich habe einen Vater und das ist bei mir nicht Eltern Teil 1 und Eltern Teil 2 und es gibt auch keine Menschen für mich mit und ohne Gebärmutter, das ist entweder ein Mann oder eine Frau und noch eine Erfahrung habe ich gemacht, weil ich ja immer mal wieder, wenn ich in Berlin bin, meine eigenen Bücher, die ich entweder gelesen habe oder nicht gelesen habe, auf dem Flohmarkt verkaufe und da war neulich auch das Buch von Jordan Peterson dabei, da habe ich reingeblättert, habe das nicht komplett gelesen. Das ist ein relativ neues Buch gewesen mit dem Titel Konservatives Manifest. Und dann hatte ich so drei junge Menschen, Männer in dem Fall, vor meinem Stand zu stehen, die sich genau über dieses Buch unterhalten haben. Und ich habe das so mit halbem Ohr mitgehört. Und die sagten dann über Jordan Peterson, das wäre ein Ewiggestriger. Und das fand ich irgendwie witzig, weil ich den Begriff aus der DDR kannte. Da waren alle, die jetzt irgendwie nicht an die glorreiche Zukunft des Sozialismus-Kommunismus glaubten, eben auch Ewiggestrige. Und dass dieser Begriff jetzt wieder auftaucht, das war für mich so ein Déjà-vu von vielen Déjà-vus, die ich in letzter Zeit habe.

SPEAKER_00:

Also das hatte ich ja auch gelesen, dass das eben seine Anhängerschaft ausmachen würde, nämlich überwiegend männliche Personen, die in dem, was er sagt und was er schreibt, und er hat ja auch YouTube-Kanäle, die er da bespielt, dass er ihnen ihre, ich sage das jetzt in meinen Worten, ihre verlorene Männlichkeit wieder gibt und sozusagen als Vorkämpfer der alten, eher traditionellen Rollenbilder auftritt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass er da im Osten, ich weiß nicht, mit welchen Leuten er gesprochen hat und was mit dem Osten genau gemeint ist, da sollten wir vielleicht auch noch drüber sprechen, Dass er da Menschen findet, die mit all diesen Transgender-Diskussionen, die im Westen geführt werden, von besonderen Interessensgruppen auch forciert, dass die Menschen da auch nichts anfangen können damit und dass die auch sehr, sehr kritisch drauf schauen, wenn davon gesprochen wird, dass es mehr als zwei Geschlechter gäbe und dass man das natürlich in der Sprache auch kenntlich macht. Da kann ich mir vorstellen, dass er sich freut, vielen Menschen zu begegnen, die das alles nicht verstehen und damit eben auch seine Position mittragen. Du hast von Herzensbildung gesprochen und von Werten. Es ist ja schon auch ein Wunsch vorhanden anscheinend, aus diesem ganzen Transgender und Brokismus irgendwie klar und ohne Verwirrung rauszukommen. Und da findet man in ihm einen Fürsprecher.

SPEAKER_01:

Also wir können ja mal dieses Interview mit Martin verlinken, wenn du nichts dagegen hast. Das ist ja auch auf Englisch, also es ist jetzt nicht so schwer, das zu verstehen. Ich habe auch mit einer Bulgarin gesprochen, die eben auch den YouTube-Kanal von Martin kennt und die auch das Interview gesehen hat und die meinte, naja, das hat der Peterson jetzt gesagt, um irgendwie jetzt freundlich zu sein. Diese Meinung fand ich auch irgendwie interessant. Möglicherweise ist das auch was dran. Ich kenne die Person jetzt nicht wirklich. Aber andererseits denke ich schon, dass da bei Peterson eine tiefe Überzeugung dahinter steckt. Und ja, da wäre jetzt mal interessant, weil du jetzt auch diesen Begriff Herzensbildung aufgegriffen hast. Du warst jetzt auch mehrfach in Bulgarien und wir reden jetzt, wenn wir über den Osten reden, entweder über Ostdeutschland, können wir auch machen, aber im Moment würde ich mal bei Bulgarien bleiben. Wie ist da deine Beobachtung? wenn du jetzt an Herzensbildung denkst?

SPEAKER_00:

Ich habe vor kurzem einen Film gesehen, da ging es darum, eine Familie darzustellen in Bulgarien im Tal der Rosen, die dargestellt wurden als eine funktionierende, zusammenarbeitende Familie, die da die Rosenblätter morgens früh um fünf auf dem Feld pflücken. um dann auch gemeinsam zu frühstücken und aber auch Mittag zu essen. Und das Ganze wurde dann auch so vorgestellt, neben den Rezepten, die man dann auch in dieser Sendung erhielt auf Arte, wurde das für meine Begriffe so dargestellt. Ach, Hier gibt es also einen Vater, der davon spricht, dass der Zusammenhalt in der Familie sich in der Liebe wieder zeigen würde. Also es funktionierte, diese traditionelle Familie mit Mutter, Vater, Kind und Kind heißt erwachsener Sohn und seiner Freundin, das ist dort alles unhinterfragt. Es gibt es. Bei meinen Ausflügen nach Bulgarien habe ich selten Gelegenheit gehabt, mit Menschen zu sprechen, weil ich die Sprache nicht spreche. Und ja, das, was ich erzählt bekommen habe, gibt mir auch den Eindruck, die Jungen leben zwar in Sofia in der Stadt, kommen aber aufs Land, besuchen dort auch die da noch verbliebenen Eltern und die alten Menschen. Es gibt also schon so etwas wie familiäre Zusammenhänge. Und gerade erinnere ich mich noch, dass du mich mal gefragt hast, warum ziehst du nicht in die Stadt deines Schwiegervaters, um ihn besser im Alter unterstützen zu können? Das schien für dich eine Art der Selbstverständlichkeit darzustellen.

SPEAKER_01:

Genau, also das ist auch durch meine bulgaren Aufenthalte geprägt, sage ich mal. Weil man das jetzt nicht flächendeckend, aber zum Teil zumindest bis heute macht im Bulgarien oder zumindest daran denkt oder das ernsthaft in Erwägung zieht. Das Thema Vater oder Vaterlosigkeit, das ist aber auch in Deutschland nicht neu. Also ich erinnere jetzt mal nur an das Buch von Alexander Mitscherlich»Auf dem Weg in die vaterlose Gesellschaft«. Also das hat er, wenn ich mich richtig erinnere, in den 70ern geschrieben. Also das ist jetzt auch schon 50 Jahre her. Und ich kann das auch für mich bestätigen. Mein Vater war auch abwesend und das war nicht gut. Man kann sagen, ich suche bis heute praktisch meinen Vater. Hört sich jetzt ein bisschen dramatisch an, aber im Prinzip ist es so. Und ich kann mit dieser, wie nennt man denn das, mit dieser... Relativierung kann ich ehrlich gesagt nichts anfangen. Und auch mit dem Feminismus nicht. Und vor allen Dingen nicht mit der Zuspitzung auf die Parole. Die wurde ja öffentlich und offiziell vor zwei Jahren hier auf dem Frauentag durch Berlin getragen. Kill all men. Also finde ich schrecklich, muss ich sagen. Also dass es da noch keinen Aufstand gegeben hat, ist eigentlich auch sehr verwunderlich. Stell dir mal vor, zum Männertag, den gibt es ja auch, also ich meine jetzt nicht den Herrentag, sondern es gibt auch einen offiziellen Männertag, der ist glaube ich im November, würden Männer mit einem Plakat durch die Gegend laufen, kill all women, was da los wäre.

UNKNOWN:

Ja.

SPEAKER_01:

Und was ich gehört habe, ist, dass in Deutschland im Kriegsfall das eingebildete Geschlecht, sage ich mal, völlig irrelevant ist. Also da wird eingezogen, wer ein biologischer Mann ist. Also damit wird ja diese ganze, wenn es stimmt, ich denke mal, das stimmt, da wird ja die ganze Gender-Ideologie so karikiert dadurch. Also da müsste es eigentlich wirklich schon der Letzte mitbekommen, dass es eigentlich ein Witz ist. Ja.

SPEAKER_00:

Aber lass uns nochmal zurückkommen. Also ich hatte eben das Thema Familie angesprochen, das ich da in diesem Filmbericht in Bulgarien als etwas Gelebtes wiedergefunden habe. Du sprichst jetzt vom fehlenden Vater, also auch einer unvollständigen Familie. Ich hatte zwar einen Vater, der nicht so früh verstorben ist wie deiner, aber er war eben nur der Leistungsträger, das nur nehme ich zurück, der sein Geld verdient hat. um die Miete und die, wie er immer erzählte, Schuhe, die wir als Kinder benötigten, zu bezahlen, zu finanzieren. Und was ist das für eine Sehnsucht, die ich da raushöre nach einem Vater? Was für ein Vater ist das? Also wenn das ein starker Vater sein, ein autoritärer Vater sein sollte, bin ich da nicht d'accord, dann gehe ich da nicht mit.

SPEAKER_01:

Was hast du gegen einen starken

SPEAKER_00:

Vater? Ich hatte gesagt starken und autoritären. Also der Starke mag ja wohl auch gut sein, unterstützend sein. Nur wenn man seine Stärke als eine Machtposition missbraucht, um damit seine Autorität zu sichern, dann ist mir das suspekt.

SPEAKER_01:

Naja, ich habe den Eindruck, dass uns durch die Gender- und Feminismusdebatte ja so ein positives Männerbild völlig abhandengekommen ist. Also ich nehme diese Debatte wahr als Krieg praktisch gegen alles Männliche. Und die Folge ist einfach, dass es kaum noch eine positive Männlichkeit gibt. Also deswegen ist auch immer von toxischer Männlichkeit die Rede. aber nie von toxischer Weiblichkeit. Und wenn es eine toxische Männlichkeit gibt, dann gibt es zwangsläufig auch eine toxische Weiblichkeit. Und die drückt sich, das ist meine Beobachtung, jetzt nicht unbedingt in Stärke aus, sondern im Gegenteil, in eher so einer Weichheit. Also Weichheit kann meiner Meinung nach auch toxisch sein. Ich erinnere mich da an ein Gedicht von Brecht, das geht ungefähr so, dass auch so eine Enge, die einen Fluss einengt, Gewalt ausübt. Ich habe es jetzt nicht komplett das Zitat im Kopf, vielleicht kennst du dieses Zitat. An dieses Zitat von Brecht muss ich immer mal wieder denken und ich denke, Brecht hat da schon was Richtiges erkannt. Und ich bin heute wieder durch die Stadt gelaufen und habe viele Männer gesehen in typisch männlichen Berufen, Stadtreinigung, dann Kanalreinigung, dann hier fahren sie mit ihren Fahrzeugen durch die Gegend, tragen Pakete aus und das. kommt niemand auf die Idee, da mal nach einer, oder im Taxi war es ja eigentlich ähnlich, nach einer Frauenquote zu, eine Frauenquote zu fordern. Frauenquote ist immer nur aktuell, wenn es eine Führungsposition gibt. Aber wenn es um harte Arbeit geht, wenn es um schmutzige Arbeit geht, dann höre ich nie was von einer Frauenquote. Also ich finde diese Debatte völlig schräg, muss ich sagen. Und wie gesagt, Stichwort stark diskutieren. Der Mann ist in der Regel der körperlich Stärkere. Das hat einfach die Natur so angelegt. Und wer das irgendwie nicht wahrhaben will, der ist wieder die Natur, muss ich sagen. Kann man machen, geht aber am Ende in die Hose. Davon bin ich überzeugt. Und deswegen, wie gesagt, diese ganze Debatte, ich will die auch gar nicht ausdehnen, ist ja auch nur ein Teil... Gebiet unseres Themas, die Zukunft im Osten. Aber ich verstehe teilweise oder zum größten Teil diese ganze Debatte nicht, ehrlich gesagt. Aber dafür nimmst du sie sehr ernst, arbeitest dich an ihr ab. Naja, sie wird mir ja praktisch aufgezwungen, weißt du? Ach ja? Ja, denke ich schon, ja. Also ich meine, wenn jemand durch die Gegend rennt mit dem Plakat Kill all men, also dann nehme ich das schon

SPEAKER_00:

ernst. Das sehe ich als Satire. Aber die Frage für mich wäre nochmal, du

SPEAKER_01:

hattest vorhin vom fehlenden... Also da muss ich kurz einhaken, die Trägerin, die wurde ja interviewt, die hat das nicht als Satire gesehen. Und daran halte ich mich, was die Person sagt, die dieses Plakat trägt. Du kannst es gerne als Satire sehen. Also für mich ist es ein Angriff.

UNKNOWN:

Okay.

SPEAKER_00:

Und dann hätte ich gerne nochmal von dir gewusst, was du denn unter dieser positiven Männlichkeit, die nicht mehr wertgeschätzt wird, was du darunter verstehst. Was sind das für Attribute, was sind das für Eigenschaften, die dir da fehlen?

SPEAKER_01:

Na, ist gut, dass du mich das fragst. Du bist ja auch ein Mann, Achim. Also offensichtlich, du kannst mit dieser positiven männlichen Stärke gar nichts anfangen. Verstehe ich das richtig?

SPEAKER_00:

Das ist

SPEAKER_01:

mir zu platt. Naja, dann gebe ich die Frage zurück und dann muss ich sagen, das ist mir jetzt auch zu platt. Du stellst eine Frage und wenn ich sie zurückgebe, dann kommt die Antwort, das ist mir zu

SPEAKER_00:

platt. Nein, du hast ja von der positiven Sicht auf den Mann gesprochen. oder die Männlichkeit gesprochen. Das geht verloren durch diesen aggressiven, militanten Feminismus, sage ich jetzt mal in meinen Worten. So höre ich das bei dir. Für mich gibt es ein Bild von dem Mann, das ist traditionell geprägt. Der ist stark, der ist körperlich stark, der ist zielorientiert, der ist sich seiner Kräfte und damit auch verbunden seiner Macht bewusst. Der hat auch die Bestrebung, das nach außen zu tragen, Führungsrollen zu übernehmen und anderen, auch den Frauen, zu sagen und zu zeigen, wo es umgeht. Das ist so diese ganz platte Geschichte. Sichtweise meiner Meinung nach eines traditionellen Männerbildes. Die sind auch in der Lage hart zu sein wie Kruppstahl und zäh wie Leder. Das geht dann wieder zurück auf die Zeit als man noch glaubte ein tausendjähriges Reich errichten zu können. Ich habe ein anderes Männerbild und ich sehe eben auch den Mann als ein verletzliches Wesen, als ein schwaches Wesen, als ein gefühlsmäßig auch in der Lage zu sein, gefühlsmäßig sich zu äußern, als ein solches Wesen. Und ich habe auch ein Männerbild, das darin besteht, dass ein Mann auch verunsichert sein kann und dann danach trachtet, diese Verunsicherung wegzubekommen, abzuspalten durch solche Geschichten wie Ja, meinetwegen Springerstiefel oder kurzgeschorene Haare oder eben dem Hinterherlaufen von Männern, die sagen, wo es lang geht. Wie eben dieser, wie heißt er,

SPEAKER_01:

Jordan.

SPEAKER_00:

Peterson. Ja, dem hinterherzulaufen, weil er sagt uns, Leute, es ist wieder wichtig, die alten Rollenbilder aufleben zu lassen. die es im Osten

SPEAKER_01:

angeblich gibt. Naja, ich sag mal so, es gibt beide Seiten beim Mann. Also die weiche und die eher harte Seite. Und was ich aber beobachte jetzt auch bei deinen Ausführungen, dass das eine gut ist und auch erwünscht ist und das andere, nämlich auch deine Formulierung, also wie du das jetzt dargestellt hast, grundsätzlich negativ ist. Und da gehe ich nicht mit. Also das halte ich auch für so ein Zeitgeist-Ding, weil es ja einfach von der Natur angelegt ist, dass im Durchschnitt der Mann stärker ist als die Frau. Also wir haben das ja zum Beispiel neulich gesehen, ich weiß jetzt gar nicht wann das war, als eine vermeintliche Frau im Ring stand mit einer biologischen Frau oder mit einer Frau im Boxkampf und die Frau hat dort keinen Stich gesehen. Die wurde richtig gehend zusammengeschlagen von dem Mann, das war glaube ich bei den Olympischen Spielen, ich konnte es mir gar nicht angucken, ich habe dann im Nachhinein darüber gehört. Und wo ich mir sage, kann eigentlich nicht sein. Im richtigen Leben regen wir uns darüber auf, wenn Männer Frauen schlagen. Und dort wird es uns als olympische Disziplin präsentiert. Das ist ja irgendwie verrückt. Und wie gesagt, ich habe ja schon das Beispiel genannt, dass biologische Männer im Ernstfall, im Kriegsfall in Deutschland in den Krieg schlagen. Also wo sich der Staat ja auch nicht darum kümmert, wie sich der selber fühlt oder wie er gelesen wird. Wo ich mir sage, finde ich jetzt aber auch komisch. Scheint ja doch nicht so zu stimmen, was so offiziell gesagt wird oder was von vielen so transportiert wird. Und ja, ich meine... Ich will jetzt gar nicht so sehr ans Eingemachte gehen, weil das ja nur ein Thema von vielen ist. Es wird immer so hingestellt, die Frau macht jetzt so viel im Haus, kümmert sich um die Kinder. Das stimmt ja auch alles. Aber ich vermisse bei der Debatte, und oft ist es so, worum sich der Mann kümmert. Es wird immer so getan, als würde der Mann den ganzen Tag irgendwo rumsitzen und nichts tun. Und das stimmt einfach mit meiner Lebenserfahrung und auch mit meinem, was ich draußen in der Welt sehe, nicht überein. Also der Mann repariert oft den Computer Ja, da fällt mir gerade ein, ich bin also in einem Verein

SPEAKER_00:

hier in Bremen, der nennt sich mobiler Hospizdienst. Da ist unter 28 Frauen sind zwei Männer. Also das heißt, die Care-Arbeit, die auch beim Begleiten von Sterbenden als Care-Arbeit betrachtet werden kann, liegt zum großen Teil immer bei den Frauen. Und natürlich heißt es nicht, dass die anderen Tätigkeiten, die die Männer hauptsächlich durchführen, dass die dadurch entwertet wird. Das ist nicht der Fall. Aber es ist trotzdem für mich ein auffälliges Ungleichgewicht, das sich darin zeigt.

SPEAKER_01:

Dazu kann ich sagen, dass ich ja gelernter Krankenpfleger bin. Also da bin ich ja dann eher jemand, der da nicht richtig ins Bild passt. Aber wie gesagt, bei diesen schweren körperlichen Arbeiten ist es halt genau umgedreht und die kommen in der Betrachtung oder Berichterstattung irgendwie gar nicht vor. Und das fällt mir halt auf und ich frage mich warum und diese Frage konnte mir bisher niemand beantworten. Aber wie gesagt, ich will mich jetzt, lass uns jetzt nicht an diesem Thema festhalten, sondern mal zurückgehen zu Zukunft im Osten, vielleicht sogar in Bulgarien. Und da habe ich schon vor vielen Jahren immer mal wieder so die Meinung gehört, naja, wenn es dann wirklich zu einem dritten Weltkrieg oder zu einer Apokalypse kommt, also der dritte Weltkrieg war damals noch ganz weit weg, aber zu irgendeiner Art von... Endzeit, Apokalypse, dass dann ein Bulgare den Laden übernimmt, das war natürlich auch nicht ganz ernst gemeint, aber mit der Begründung, ja, der könne ja alles machen. Und so witzig oder so verrückt, wie sich das anhört, es war auch immer so ein bisschen Wahrheit daran. Bisher war es so in Bulgarien, ich habe das selber auch miterlebt, bei mir war am Auto die Lichtmaschine kaputt. Und da war sogar schon eine kleine Flamme, kam aus der Lichtmaschine und ich dachte, oh Gott, hoffentlich geht das gut. Aber dieser ältere Herr in Bulgarien, der hat einfach nur die Kontakte gewechselt und gar nicht die komplette Lichtmaschine. Und an solche Sachen denke ich. Und es gibt noch viel mehr davon. Also zum Beispiel, wenn meine Nachbarin, die Oma Border, da ihren Garten macht und da viel einweckt und dann so ein großes Lager hat oder Keller, wo da die eingeweckten Sachen drinstehen. Also sie haben noch die Fähigkeit, das zu machen. Und ich habe dann auch mal, ist jetzt ein paar Jahre her, im Bulgarien eingeweckt und bevor ich zu Baba Border gegangen bin, habe ich mich selber im Internet schlau gemacht, was man da beachten muss beim Einwecken und war dann natürlich auf deutschen Seiten. Und auf deutschen Seiten war das Erste, was mir entgegensprang, dort immer, ja, sie brauchen unbedingt Etiketten, ohne Etiketten können sie nicht einbecken. Also wo ich mir sagte, aber Leute, geht's noch? Also das war wirklich so, das war immer so ein Running Gag, Etiketten, ohne Etiketten geht's nicht.

SPEAKER_00:

Da höre ich so ein bisschen raus, dieser Wunsch oder diese Sehnsucht nach dem einfachen Leben. Der Bulgare, weil er eben noch keine Etiketten kennengelernt hat, ist noch in der Lage, das einfache Einwecken, das ist ja auch so ein Begriff, die Firma Beck hat damals die Gläser zur Verfügung gestellt. Dieses Einmachen von Gemüse, das Vorsorgen für den Winter, also diese ganzen einfachen Tätigkeiten, die kann der einfache Bulgare noch, aber der vom Internet verwöhnte westliche Mensch, der bringt das nicht mehr zustande.

SPEAKER_01:

Herr Achim, dieses Einfache ist ja nur gedacht, dass es einfach ist. Also wenn es wirklich so einfach wäre, dann könnte es ja jeder machen.

SPEAKER_00:

Ich will das nicht diskreditieren.

SPEAKER_01:

Das Einfache

SPEAKER_00:

ist ja meist das Schwierige.

SPEAKER_01:

Genau, sowieso. Aber in Deutschland, genau, das hat ja Brecht auch gesagt, das Einfache, was so schwer zu machen ist. Also er hat damit den Kommunismus gemeint, aber er hatte grundsätzlich Recht und in Deutschland ist so meine Beobachtung, die Menschen sind so kompliziert, dass sie die einfachen Sachen gar nicht mehr auf den Schirm haben oder gebacken bekommen. Und das finde ich, ja, Bedenkenswert, sage ich mal.

SPEAKER_00:

Und das ist wiederum auch ganz hilfreich für jene, die die Macht haben. Also solche Menschen, für die alles so kompliziert ist, die sind dann auch sowas von verwirrt und nicht mehr an das Wesentliche angebunden und sind deswegen auch leicht verführbar.

SPEAKER_01:

Absolut. Und ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, wenn Kinder... Ja, genau. die rennen dann irgendwann einem Führer oder was auch immer hinterher. Und ich musste an dieses Bild denken, als die ersten Uber-Fahrzeuge in Berlin auftauchten. Das ist ja jetzt schon ziemlich genau acht Jahre her, die nie eine Ortskundeprüfung abgelegt haben, die nur nach GPS fahren mussten und bis heute fahren, weil sie einfach keine Ahnung von der Stadt haben. Das hatte ich dann immer so als Bild. Ja, diese Menschen, die müssen irgendjemandem Und wenn es nur dieser bescheuerten Stimme aus dem GPS ist, weil sie ohne diese Führung einfach völlig orientierungslos werden, weißt du? Und das ist jetzt ein spezieller Fall und natürlich... Ich als ehemaliger Taxifahrer, der durch Uber seine Arbeit verloren hat, hat da natürlich den Blick darauf. Aber ich finde trotzdem, man kann dieses Bild mit dem Uber-Fahrer verallgemeinern. Heute ist es die künstliche Intelligenz für alle. Und ich habe so ein schönes Bild im Kopf, wie die Welt untergehen wird. Das habe ich aber auch schon seit vielen Jahren. Jemand fragt die künstliche Intelligenz, was er jetzt machen soll. Und da sagt die KI... Ja, jetzt musst du den roten Knopf drücken. Und dann drückt derjenige den roten Knopf und dann geht aber alles endgültig den Bach runter. Und die künstliche Intelligenz hatte in dem Sinne recht, dass die Welt besser ohne den Menschen auskommt.

UNKNOWN:

Ja. Ja.

SPEAKER_00:

Es gibt ja so Momente in der Argumentation, die sind absolute Kommunikationskiller. Du hast den roten Knopf schon gedrückt und

SPEAKER_01:

dann

SPEAKER_00:

bleibt ja eigentlich nichts mehr übrig, worüber wir sprechen können.

SPEAKER_01:

Okay, ich nehme es zurück, Arjen. Ich nehme

SPEAKER_00:

den roten. Die intakte Familie ist nicht unbedingt ein Ausweis dafür, dass Menschen einem Führer nicht nachlaufen. Also diese intakte Familie gab es damals auch im Dritten Reich und die haben alle ihrem Führer gefolgt und sind ihm hinterhergelaufen. Es ist nicht unbedingt eine Versicherung, dass dann die Menschen auch klug genug sind und selbstständig denkend unterwegs sind, um das nicht zu tun.

SPEAKER_01:

Also da erlaube ich mir zumindest in dem Sinne zu widersprechen, dass was Menschen oft als intakte Familie bezeichnen, hat mit dem, was ich darunter verstehe, relativ wenig zu tun. Und zwar Und zwar, wenn man Menschen fragt, wie war denn deine Kindheit? Dann kommt in aller Regel die Antwort, ach, die war eigentlich ganz schön. In den allerwenigsten Fällen stimmt das. Deswegen kann ich mit solchen Begriffen wie intakte Familie relativ wenig anfangen. Und ich komme auf das zurück, was ich auch schon in meinem Beitrag Bulgarien die große Freiheit geschrieben habe, dass ich bin ja in der DDR groß geworden und war aber immer mal wieder in Bulgarien. Und ich hatte in der DDR, das kann man glaube ich verallgemeinern auf ganz Deutschland, immer das Gefühl, ich sollte irgendwie sein. Und in Bulgarien hatte ich immer das Gefühl, ich kann eher so sein. Und das meine ich damit, wie gesagt, ich würde es nie als intakte Familie bezeichnen, aber als gute Kindheit. Wenn das Kind so sein kann, wie es ist, und das ist bis heute, zumindest im ländlichen Bulgarien, ist es eher so, in Deutschland wird es nicht so, wie es ist. treffe ich das eigentlich gar nicht an. Wir hatten das ja neulich schon, da soll der kleine Sohnemann dann Pianist werden oder die Tochter wird zum Ballett geschickt und sowas. Ist die Frage, ist es das, was das Kind möchte oder ist es das, was die Eltern möchten? Und wie gesagt, in Bulgarien habe ich andere Erfahrungen gemacht und ich mache diese Erfahrungen auch im Erwachsenenleben mit meinen Nachbarn. Also man lässt mich eher so lassen, wie ich bin Genauso wie ich die Nachbarn so sein lasse, wie sie sind. Die haben ihre Hunde, die da mir auch so ein bisschen auf die Nerven gehen. Aber ich sage mir, ja, so sind sie und so ist es und du musst damit zurechtkommen und versuch eher das Problem oder die Lösung bei dir selber zu finden. Du warst ja dabei, du hast ja die Hunde auch kennengelernt.

SPEAKER_00:

Hast du die Lösung in der Form von Oropax gefunden?

SPEAKER_01:

Ne, ich habe mich jetzt mit den Hunden ein bisschen beschäftigt und man kann schon fast sagen, angefreundet, habe die auch mal gefüttert und so. Und so eher in der Richtung. Also Oropax kann ich vor Tragio gar nicht. Da bin ich zu sensibel für Oropax.

SPEAKER_00:

Also das heißt, wenn ich das jetzt richtig verstehe, die intakte Familie besteht nicht darin, dass sie sich nach außen hin als eine ganz totale tolle Familie zeigt. Ich erinnere mich an die oben geschlossenen Hemdkragen, die ich auf kleinen Kinderbildern von mir sehen kann. Der Sohn war ordentlich gekleidet, man musste den Nachbarn zeigen, dass alles intakt ist. Darum geht es hier nicht, sondern es geht darum, dass die Persönlichkeit, die Individualität der je einzelnen Kinder gefördert wird. Und du sagst, das ist in Bulgarien der Fall. die werden sein gelassen. Also man erzieht sie

SPEAKER_01:

nicht. Also immer im Vergleich zu Deutschland. Und natürlich ist es in Bulgarien auch einer Veränderung unterzogen. Also gerade in den Städten erlebe ich ja eine Verwestlichung. Aber ich selber bin ja auf dem Land und da nehme ich da noch so Restanteile davon wahr, solange wie die älteren Herrschaften noch leben, sage ich mal. Und ich erinnere mich, weil du jetzt gerade von Kleidung gesprochen hast, dass meine Mutter immer mal wieder zu mir gesagt hat, als ich Teenager war, ich sehe so aus wie so ein arme Leutekind. Und die Fassade war ja, der Vater war Arzt Und da war Geld vorhanden und dann muss natürlich der Sohn dementsprechend gekleidet sein. Und das war natürlich auch so eine Form von Protest, jetzt gegen die Familie, aber auch gegen das System. Shellparker, Jeans und manchmal auch drei Tage nicht gewaschen, sage ich mal. Und was das so sein lassen angeht, da habe ich was sehr Interessantes in einer Biografie über Osho gelesen. Osho ist ja, also dieser Bagwan, bei dem man auch immer vorsichtig sein muss, aber der auch manchmal ein paar kluge Sachen gesagt hat. Aus seiner Biografie habe ich erfahren, der ist bei den Großeltern groß geworden. Also man hat den auch abgeschoben, ist im Bulgarien auch immer mal wieder vorgekommen oder sogar sehr oft. Und der hatte aber das Glück, dass die Großeltern ihn so sein lassen konnten, wie er ist, weil sie ihn auch geliebt haben. Und dann haben die Großeltern den kleinen Osho, als er so sechs, sieben Jahre alt war, mal gefragt, was er denn werden will. Und dann war seine Antwort vagabund. Und die Großeltern fanden das großartig. Und ich fand das auch großartig. Aber stell dir mal vor, du oder ich, unsere Eltern hätten uns gefragt und wir hätten gesagt, ich werde vagabund. Was wäre da los gewesen?

SPEAKER_00:

Ja, und das erinnert mich an diesen herrlichen Buchtitel. Ein Bauer und eine Bäuerin zeugten einen Sohn, der unbedingt Knecht werden wollte.

SPEAKER_01:

Naja, die Frage ist, wer wollte denn, dass er Knecht wird? Also kommt ja keiner auf die Welt und sagt, ich möchte Knecht werden. Also den musst du mir zeigen, Achim.

SPEAKER_00:

Aber das wäre doch wirklich schön, wenn man den Kindern das wirklich offen hielte und es eben darauf abzielen würde. die Persönlichkeit entwickeln

SPEAKER_01:

zu lassen. Absolut, absolut. Und wenn das so ist, dann kommt auch, also das ist jetzt nicht meine Theorie, die habe ich bei anderen Menschen gehört, aber ich stimme dem zu, also wenn jemand eine wirklich schöne Kindheit hatte, dann kommt ja nicht auf die Idee, in den Krieg zu ziehen. Also weil das einfach seinem Vorstellung von Leben widerspricht. Und davon bin ich zutiefst überzeugt. Und deswegen beginnt eine Veränderung eben in der Kinderstube. Also wenn wir die Welt verändern wollen, dann müssen wir die Kinder besser behandeln. Also damit möchte ich mal... Ich hatte gestern noch eine interessante Begegnung, über die ich kurz berichten möchte. habe ich mich mit einer Bekannten getroffen und wir unterhielten uns über Bücher und ich habe dann mal wieder Michelle Welbeck ins Spiel gebracht und diejenige meinte dann, ja, ich habe den noch nicht gelesen und das ist oft so, also die Leute haben jetzt in dem Fall Michelle Welbeck nicht gelesen, haben aber im Normalfall eine Meinung über den. Oh, frauenfeindlich und so weiter und so fort. Okay, kann man ja alles haben, aber ich denke, besser ist es, wenn man denjenigen gelesen hat. Und dann sagte sie, und sie will den auch nicht lesen, weil sie hat Angst, dass der recht haben könnte, dass er ihr gefallen könnte. Und das fand ich so schön, auch so ehrlich. Und den Eindruck habe ich eben immer mehr oder oft in Deutschland, dass sich Menschen einfach nicht mit bestimmten Themen beschäftigen, weil sie Angst haben, meistens unbewusst, derjenige könnte mit seiner anderen Meinung recht haben. Und gestern das Thema war, sind wir auch durch Zufall darauf gekommen, Corona mal wieder, weil ja Corona für mich so eine, wie nennt man das hier, Zeitenwende war. Wie gesagt, in Bulgarien eine ganz andere Situation als in Deutschland. Ich bin neulich sogar einer speziellen Plattform für Ungeimpfte beigetreten, um mal in Deutschland Leute kennenzulernen, die auch nicht geimpft sind. In Bulgarien treffe ich praktisch nur so Leute und in Deutschland ist es relativ schwer, Gleichgesinnte zu treffen. Und dann habe ich so ein bisschen erzählt über mich, also die Person wollte auch das hören und plötzlich ging es der Person gar nicht gut. Naja, dann ist mir im Nachhinein klar geworden, naja, weil sie sich hat impfen lassen, okay. Und dann war die ursprüngliche Idee von ihr, wir könnten ja noch zu einem Vortrag von Luise Neubauer gehen. Sie hatte mir das vorher vorgeschlagen und ich habe erst mal gedacht, naja, habe ich da jetzt Lust drauf, aber ich habe das erst mal offen gelassen, also zum Ähm.

SPEAKER_00:

Das wäre noch interessant gewesen, was du bei der Luise Neubauer hättest erfahren können und wie du es ausgehalten hättest. Ähnlich wahrscheinlich wie die Bekannte in Bezug auf Urlebäck. Wahrscheinlich. Klar, das macht ja auch die Blase aus, dass man nur die Leute hört und die Leute trifft und die Leute liest, die in derselben Ideologie unterwegs sind. Ist ja auch wichtig, ist wirklich wichtig, weil in manchen Situationen geht es gar nicht alleine. Man kann nicht alleine gegen irgendwelche Missstände ankämpfen. Man braucht auch die anderen Menschen, die in ähnlicher Richtung denkend und handelnd unterwegs

SPEAKER_01:

sind. Absolut. Also bei mir ist es ja so, Ich bin ja viele Jahre Taxi gefahren in Berlin und eine Sache habe ich im Taxi gelernt und zwar das Zuhören. Hört sich einfach an, ist aber auch das Einfache, was zu schwer zu machen und zwar zuhören, ohne das irgendwie zu bewerten oder ganz und gar zu beurteilen, sondern eher herauszufinden, warum tickt dieser Mensch so, wie er jetzt gerade tickt. Und das war sehr hilfreich für mich, aber wie gesagt, ich habe dazu Jahre gebraucht. Und jetzt kann ich das viel, viel besser aushalten, sage ich mal. Aushalten ist jetzt vielleicht nicht der richtige Begriff. Aber ich kann mir das anhören und aus dem Kontext ergibt sich ja oft, okay, warum tickt die Person jetzt so, wie sie tickt? Und natürlich braucht man seine eigene Bubble, aber ich gehe da auch immer mal wieder raus und höre mir andere Meinungen an und muss in der Regel sagen, okay, Ich verstehe das bis zum gewissen Punkt, das ist jetzt die Wahrheit dieser Person, aber das, was ich für wahr halte, wobei es die Wahrheit ja nicht gibt, aber was ich für wahrscheinlicher halte oder dass es näher dran ist an der Wahrheit, auch aufgrund meiner Lebenserfahrung, ist doch was anderes. Und da kann ich mittlerweile auch viel mehr meinen Frieden machen, dass ich sage, okay, für mich stimmt das so und so. Das mag für den anderen so und so sein, aber für mich ist es gerade so richtig. Und das ist etwas, was ich immer haben wollte und was sich jetzt in den letzten Jahren so ergeben hat und wofür ich auch sehr dankbar bin.

SPEAKER_00:

Ich würde gerne noch ergänzen und ich glaube, wir sind auch so ein bisschen am Ende angelangt, nicht nur ein bisschen, sondern tatsächlich. Ich würde noch ergänzen wollen, dass ich beim Zuhören auch mich besser kennenlerne, weil ich nämlich dann merke, in welchen Situationen, über welche Begriffe und über welche Aussagen ich mich getriggert fühle, wie das so neudeutsch heißt und mich dann auch fragen kann, woher kommt das? Also welche inneren Haltungen, welche inneren Bilder, welche inneren Gewohnheiten werden da bei mir infrage gestellt?

SPEAKER_01:

Und da kann ich sehr viel über mich erfahren. Sehr schön, Achim. Das war auf jeden Fall ein schönes Schlusswort. Ich erlaube mir noch Folgendes hinzuzufügen. Also die Krönung ist sozusagen, wenn man trotz allem bereit ist, also nicht nur zuzuhören, sondern auch... diese Punkte herauszuhören, wo der andere vielleicht auch Recht hat und im besten Fall auch sagen kann, vielleicht liege ich da verkehrt und auch von dem anderen etwas annehmen kann. Und ich habe die Erfahrung gemacht, man kann eigentlich von jedem Menschen irgendwas

SPEAKER_00:

lernen.

SPEAKER_01:

Und vielleicht sogar vom Bulgaren. Sehr schön, Achim. Das war jetzt ein tolles Schlusswort.

UNKNOWN:

Danke.

SPEAKER_00:

Ja, vielen, vielen Dank für deine Gedanken und für deine Ausführungen. Und ja, wir sehen uns bald wieder und hören uns.

SPEAKER_01:

Ich danke dir, Achim. Bis zum nächsten Podcast. Ciao, ciao.